Giro de Adriatico – Etappe 8: Ulcinj oder „Where is the nightclub Longbeach?“

Weiter geht’s bei der epischen Radeltour: Zu Beginn der achten Etappe verlassen wir die Bucht von Kotor und haben gleich nach wenigen Kilometern ein Fahrerlebnis mit Gruselfaktor.

Es geht durch einen fünf Kilometer langen Tunnel Richtung Flughafen Tivat. Die Tunnelröhre ist extrem schlecht ausgeleuchtet, ein Fahren auf der Straße wäre ob der vorbeipreschenden Autos und LKWs lebensgefährlich. Wir entschließen uns, auf dem zirka ein Meter breiten Gehsteig zu fahren.

Diese Entscheidung sollte nicht weniger gefährlich sein. Durch die Tunnelwand optisch getäuscht, ist es beinahe unmöglich die Spur zu halten. Was auf einer freien Straße ein Kinderspiel ist, wird hier zu einer Art Drahtseil-Tanz.

Dem Empfinden nach sind die Kilometer während der Tunneldurchfahrt die mitunter längsten während der gesamten Tour. Knapp vor Ende des Tunnels, als im wahrsten Sinne des Wortes ein Licht am Ende zu sehen ist, hat plötzlich einer aus unserer Runde einen Patschen, im wohl ungünstigsten Moment. Dieser Zwischenfall hat aber auch sein Gutes, so schieben wir die Mountainbikes auf den letzten Metern und kommen heil aus diesem Teufelsloch.

Hinter dem internationalen Flughafen biegen wir ab Richtung Budva. Wir strampeln auf einer viel befahrenen Hauptstraße entlang und atmen herrlichste Abgase ein. So wird Rad fahren zu einem echten Naturerlebnis unter einem gesundheitsfördernden Aspekt.

Nach wenigen Kilometern gibt der Tiroler in unserer Truppe, im heiligen Land eine etwas andere, bessere Luft gewohnt, entnervt auf. Hier will er keinen Meter mehr weiterfahren: „Das hat mit Radfahren nichts zu tun!“

Wir überlegen, auf welcher Route es am sinnvollsten nach Budva gehen könnte. Hierfür verlassen wir die Hauptstraße und kommen mit einer Einheimischen und deren Mann oder Bauarbeiter, man weiß es nicht, ins Gespräch, die uns den besten Weg abseits der Autoabgase erklären will.

Also fahren wir nach einem kurzen, steilen Anstieg einen Bergkamm entlang und entgehen so dem massiven Verkehr mit seinen unangenehmen Begleiterscheinungen. Im Nachhinein werden wir sehen, dass es bis Budva nur mehr wenige Kilometer gewesen wären, aber ein kleiner Anstieg zwischen drin, was soll uns der noch anhaben?

Bilder: Etappe acht des Giro de Adriatico

Bei dem kleinen Örtchen Jaz müssen wir für kurze Zeit wieder auf die viel befahrene Hauptstraße, sehen dafür aber einen wunderschönen Strand mit – auf dieser Reise schon öfter bestaunten – türkisblaufarbenem Wasser. Auf der Hauptstraße geht es vor Budva wieder bergauf. Der Tiroler und ein weiterer „Radprofi“ preschen gleich davon.

Gut, wenn man den Präsidenten aka Reiseleiter immer in der Nähe hat. Auf den kann man sich verlassen, wenn es um Routenplanung geht. So biegen wir nach wenigen hundert Metern von der Hauptstraße auf einen steilen Weg ab, der in eine neue Wohnsiedlung führt.

Hier über den Kamm soll es auch nach Budva führen. Ein bisschen verwirrend kann das schon sein, wenn Straße und Hauszufahrten mit dem gleichen Asphalt ausgestattet sind. Hier sieht sich alles ein bisschen ähnlich. Die beiden Ausreißer werden per Handy auf diese Nebenstraße beordert. Derweil verfährt sich die Gruppe um den Präsidenten. Eine Sackgasse führt uns auf eine Art Bauernhof. Also wieder zurück.

Irgendwann sind wir dann wieder auf der richtigen Straße. Wir entschließen uns, auf die beiden Ausreißer, die ja jetzt plötzlich hinter uns liegen, zu warten. Als sie länger nicht daherkommen, glühen die Handys. Genau als sich unser Präsident auf die Socken macht, um die beiden zu suchen, biegen sie um die Ecke: „Wo ist der nächste Flughafen, ich kauf mir jetzt ein Ticket und flieg heim!“ – Herrlich, dabei heißt es doch immer, dass Ausdauersport so entspannend und Stress abbauend wirkt.

Budvas Altstadt ist einfach sehenswert

Fünf Minuten später ist alles wieder vergessen, wir trudeln in der wunderschönen Altstadt von Budva ein. Durch die vielen kleinen Zwischenfälle des Tages sind wir schon etwas in Verzug. Rund 60 Kilometer warten noch auf uns. Wir schieben unsere Mountainbikes durch die engen Gassen bis wir ein feines Lokal entdecken. Wir bestellen die obligate Fischsuppe und dann noch allerlei Herzhaftes. Mit der Konsequenz, dass wir plötzlich darüber diskutieren, mit dem Taxi die letzten Kilometer nach Ulcinj zu fahren.

Gesagt, getan. Die Bikes werden in und auf unserem Begleitfahrzeug verstaut. Der Präsident fährt im Begleitwagen mit, während sich die restlich fünf in ein (!) Taxi zwängen. Großes Gelächter als der Taxifahrer prophylaktisch das Taxischild von seinem Skoda abmontiert und in den Kofferraum befördert. In rasantem Tempo geht es auf der Küstenstraße beim berühmten Sveti Stefan vorbei.

Als wir in Ulcinj Richtung Hotel fahren, sticht uns als erstes ein Riesen-Plakat eines Nachtclubs namens „Longbeach“ in die Augen. Warum dies hier Erwähnung findet? Dieser Nachtclub sollte noch für einiges an Heiterkeit in unserer Runde sorgen.

Wir betreten das Hotel am Strand und merken, dass hier noch Leute aus den ehemaligen jugoslawischen Staatsbetrieben arbeiten. Urlaub in den 1980ern, noch Fragen?

Als wir mit unseren Radlerdressen und den Klickschuhen wie Fred Astaire zur Rezeption tanzen, erleben wir zunächst einmal ein kollektives Naserümpfen. Die Leute hinter der Budel erweisen sich dann aber doch als freundlich und händigen uns die Schlüssel aus.

Nach der „anstrengenden“ Taxifahrt gibt’s nur eins: Badehose an und rein ins Meer. Aber hier merkt man dann doch einen Unterschied zu den unzähligen Urlauben in Kroatien – vormals Jugoslawien: Hier ist ein Sandstrand. Ja sind wir denn in Caorle oder Jesolo?

Kurze Abkühlung, mehr nicht. Irgendwie sollte während der gesamten Tour kein Badefeeling aufkommen. Nicht ein einziges Mal legen wir uns am Meer ein paar Minuten hin. Egal, wir sind zum Radelfahren da.

Da das Hotel ein bisschen abgelegen von der City Ulcinjs liegt, geht’s per Taxi in die Altstadt. Nach dem Essen schlendern wir durch den neueren Teil der südlichsten Stadt Montenegros. Es ist eine Art Einkaufsstraße mit Bars, aber so richtig einladend wirkt dieser Boulevard nicht. Und bis man da ein Taxi findet, kann schon mal eine halbe, dreiviertel Stunde vergehen. Als wir endlich zwei Taxis ergattern, folgt eine weitere Kabarett-Einlage.

Die Truppe teilt sich in zwei Gruppen, der Präsident fährt im ersten Taxi. Alle die im anderen Taxi fahren, trauen ein paar Fahrsekunden später ihren Ohren nicht: Mitten in den Funkverkehr der gesamten Taxiflotte mit den üblichen Knatter- und Piepgeräuschen und dem obligaten „Zentrale, Zentrale“, hören wir plötzlich die Stimme unseres Reiseleiters: „Where is the nightclub Longbeach?“

Wir schauen kurz unseren Taxifahrer an und erklären ihm, dass das gerade einer von uns war und dann brechen wir – Fahrer inklusive – in ein schallendes Gelächter aus. Übrigens: Den Nachtclub haben wir nie gesehen, den gibt es laut Taxifahrer nämlich gar nicht.

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