Die besten Erlebnisse ergeben sich spontan und ungeplant. Eine Konzertfahrt ins nahe Italien zum Beispiel, um einer Musik-Ikone „Lebe wohl“ zu sagen.
Dank der sozialen Medien kam der Auftrittstermin von Joan Baez auf der Piazzale del Castello in Udine immer wieder in unseren Fokus, ohne wirklich einen Ausflug dorthin zu fixieren.
Als dann der Tag des Konzertes da war, gab es online keine Karten mehr. Also fuhren wir einfach los und hatten Glück, dass wir auf der Piazza della Libertà tatsächlich noch Tickets ergattern konnten.
Joan Baez, diese große Frau der Musikgeschichte, die vor allem auch als Friedensaktivistin und Kämpferin für Menschenrechte bekannt wurde, ist aktuell auf ihrer „Fare Thee Well Tour“.
Der Platz beim Schloss auf einer kleinen Anhöhe in der Innenstadt von Udine entpuppt sich als wunderbare Konzert-Location. Die Hitze, die ein paar Höhenmeter weiter unten ohne auch nur einen Windhauch in den Gassen steht, ist hier erträglich. Dazu gesellt sich ein Sternenhimmel, der in Erinnerung ruft, warum Open-Air-Konzerte oft so wunderschön sein können.
Die Bühne ist vor dem Schloss aufgebaut. Man sieht hinten ein Tor mit zwei Stiegen. Kein Wunder also, dass die Beleuchter das ganze Drumherum in den Konzertabend einbauen. Der Auftritt der US-Amerikanerin findet im Rahmen des Folkest 2018 statt. Dieses Festival, das im friulanischen Spilimbergo beheimatet ist – aber auch immer wieder andere Orte miteinbezieht – gibt es seit 40 Jahren.
Virtuose Begleitung
Als Baez ihrer Gitarre die ersten Töne entlockt und mit dem Bob-Dylan-Cover „Don’t Think Twice, It’s All Right“ in den Abend startet, wird klar: Einen solch klaren Sound hat man selten gehört. Zunächst solo, wird die am 9. Jänner 1941 in New York geborene Sängerin von dem virtuosen Dirk Powell an diversesten Instrumenten (Banjo, Bass, Geige, Klavier und Mandoline) begleitet. Für die Percussion ist Baez‘ Sohn Gabriel Harris – nicht minder virtuos – zuständig.
Bei einigen Songs holt sich Baez die junge und äußerst talentierte Grace Stumberg auf die Bühne, die mit ihrer Stimme für wunderschöne und eindringliche Duette mit Gänsehautmomenten sorgt. Die Stimme ist auch der eigentliche Grund, warum Joan Baez ihre Abschiedstournee gibt. Es sind die hohen Töne, die ihr zu schaffen machen, wie sie beim Konzert mit Mut zur Ehrlichkeit erzählt. Der stimmliche Aufwand bei einer Tournee ist hoch. Doch Stumberg unterstützt die charismatische und in ihrem Auftreten so bodenständige Frau, die auf eine knapp 60 Jahre andauernde Karriere zurückblicken kann.
So ist auch die Setlist gestaltet, die zu einem Großteil aus Cover-Versionen besteht und ein Streifzug durch die Musikgeschichte der Friedens- und Bürgerrechtsbewegung ist. Cover-Versionen, die Baez mit ihrer Stimme und ihrem Gitarrenspiel zu ganz eigenen Songs macht. Extrem emotional wird es, wenn sie ihren autobiographischen Song „Diamonds And Rust“ singt, in dem sie ihre gescheiterte Liebesbeziehung mit Bob Dylan musikalisch Revue passieren lässt.
Dylans Song „A Hard Rain’s A-Gonna Fall“ ist ein weiteres Highlight eines unvergesslichen Konzertabends, bei dem es schwierig ist, Highlights zu benennen. Weil das gesamte Konzert ein Highlight ist. Das Lied leitet Baez mit der Anekdote ein, dass sie und ihre Crew ein paar Tage zuvor in Köln beim Konzert von Patti Smith zu Gast waren und sie spontan die Bühne enterte und für ein großes Duett zweier großer Frauen sorgte. (Hier in diesem Youtube-Video nachzusehen)
Nachdenklich wird das Publikum bei dem durch Mark und Bein gehenden Lied „The President Sang Amazing Grace“ (Zoe Mulford-Cover), das an die Trauerrede von US-Präsident Barack Obama nach dem rassistisch motivierten Anschlag in einer Kirche von Charleston am 17. Juni 2015 erinnerte, bei dem neun Afroamerikaner starben. Obama hatte bei der Trauerrede keine Worte mehr gefunden und „Amazing Grace“ gesungen.
Imagine unter dem Sternenhimmel
Beim Zugabenblock träumen wir bei John Lennons „Imagine“ von einem Planeten ohne Kriege und Gewalt – wir werden weiter träumen. Die Textzeile „Above us only sky“ geht beim Blick auf den Sternenhimmel unter die Haut.
Joan Baez beschließt den Abend mit dem italienischen Antikriegslied „C’era un ragazzo che come me amava i Beatles e i Rolling Stones.“ Als das überwiegend italienische Publikum mitsingt, wird wieder einmal der Beweis erbracht, dass Musik mehr ist, als nur aneinandergereihte Töne und Textsequenzen. Musik ist das Leben. Passend, dass Baez „Gracias A La Vida“ spielt – danke an das Leben!
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Fantastic article!
Thank you very much.
Andrea Del Favero
Folkest Artistic Director