25 Jahre nach dem Konzert auf der Donauinsel in Wien und 24 Jahre nach dem Konzert im Ernst-Happel-Stadion ebendort, war es wieder soweit: Guns n‘ Roses betraten die Bühne, dieses Mal im italienischen Imola.
Über 80.000 Fans erlebten ein Konzert der Extraklasse, man könnte es beinahe episch nennen. Schon das Intro „Looney Tunes“ aus der Serie „Bugs Bunny und Daffy Duck“ zeigte, diese Kapelle hat neuerdings Humor.
In den 1990ern waren die Gunners wegen der Eskapaden von Frontman Axl Rose bei den Veranstaltern als unberechenbare Band bekannt.
Rose ging das eine oder andere Mal einfach mitten im Konzert heim weil ihm ein Fotograf oder etwas anderes auf die Nerven gegangen war.
In Imola war das anders: Der Konzertbeginn war für 20:45 Uhr angesetzt. Während Guns n‘ Roses in alten Zeiten die Fans oft mehr als eine Stunde oder länger warten ließen, fingen sie dieses Mal zehn Minuten früher an als geplant.
Mit „It’s So Easy“ startete die Guns-Maschine durch und legte ein Feuerwerk an Hits und Coverversionen vor, das den Asphalt im Autodromo Enzo e Dino Ferrari fast zum Glühen brachte.
Mit Vollgas durch die Nacht
Axl Rose ist mittlerweile 55 Jahre alt, seine „Scheiß mich nix“-Attitüde hat er sich definitiv behalten. Der Mittelfinger beim Startsong gehört dazu wie das Amen im Gebet. Er bringt jetzt ein paar Kilo mehr auf die Waage, seine weißen Radlerhosen hat er durch eine Fetzen-Jeans ersetzt. Aber er ist noch immer der Frontman, der mit seiner Stimme, die so klingt, als hätte er Reißnägel gegessen und mit seiner Präsenz die Arenen oder eben Rennstrecken zum Kochen bringt.
Doch auch hier ist etwas anders. Aus dem einst eher aggressiven Sänger ist ein – so scheint es zumindest – relaxter Typ geworden, der sich vor dem Hotel in Bologna entspannt den Fans stellt und Autogramme gibt.
Mehrmals entkommt ihm beim fulminanten Auftritt ein Lächeln, das seine Freude zeigt, wieder mit seinen Kumpanen Slash (der „Gitarrengott“) und Bassist Duff McKagan auf der Bühne zu stehen.
Rose, Slash und McKagan bilden seit Mitte der 1980er das eigentliche Triumvirat der Gunners. Nur dass eben 1996 Slash und 1997 McKagan wegen Differenzen mit Rose das Weite suchten. 2016 kam es zur großen Wiedervereinigung. Die Welt-Tournee „Not In This Lifetime“ bricht nun alle Rekorde.
Natürlich durften beim Konzert in Imola Plakate mit der Aufschrift „Where is Izzy?“ nicht fehlen. Gitarrist und Gründungsmitglied Izzy Stradlin, der bereits 1991 ausgestiegen war, geht den Fans dann doch auch noch ab.
Die Gestaltung der Setlist für den Gig in Imola kann man als genial bezeichnen, genauso wie das offizielle Plakat und die Umsetzung der visuellen Bühnenshow. Jeder einzelne Song ließ mehr Emotionen hochkommen.
Aber das wirklich Phantastische daran: Es war alles, nur keine Nostalgie-Veranstaltung. Es war ein Guns n‘ Roses-Konzert durch und durch. Rockig, dreckig, ehrlich.
🇮🇹 Imola 🇮🇹#GnFnR #NotInThisLifetime Tour 2017
Posted by Guns N' Roses on Samstag, 10. Juni 2017
Die Gunslhaut war extrem bei „Welcome to the Jungle“ oder „Estranged“. „This I Love“ drang durch Mark und Bein, Axl Rose ließ mit seiner schrillen Stimme die Nackenhaare zu Berge stehen. Jede einzelne Textzeile von „Civil War“ ist wegen der politischen Weltlage aktueller denn je. Nicht minder intensiv war „Coma“.
Passend für Italien war natürlich „Speak Softly Love“ (das Liebes-Thema aus „Der Pate“), mit dem Slash virtuos zu „Sweet Child O‘ Mine“ überleitete. Beim Dylan-Cover „Knockin‘ on Heaven’s Door“ hatte man das Gefühl, Rose würde den Song am liebsten nicht beenden. Immer wieder zögerte er mit einem Schmunzeln im Gesicht das Ende hinaus.
Auch das Cover von „Black Hole Sun“ zur Erinnerung an den im Mai verstorbenen Soundgarden-Sänger Chris Cornell sorgte für Emotionen bei den Fans. „Mit „Paradise City“ ging ein knapp dreistündiges Konzert zu Ende, das gewiss in Erinnerung bleiben wird.
Chaos nach dem Konzert
In Erinnerung wird es auch deshalb bleiben, weil im Gegensatz zu den in Hochform spielenden Gunners die Organisation rund um das Konzert eine Katastrophe war. Enge Ein- und Ausgänge auf einem an sich coolen Gelände auf der legendären Rennstrecke in Imola sorgten für klaustrophobische Momente. Und dass nach einem Konzert für über 80.000 Menschen, das seit Monaten geplant war, bei der Abfahrt der Züge Chaos am Bahnhof herrschte, zeigte gnadenlos das andere Gesicht von „Bella Italia“. Nicht nur den wartenden Fans, auch den Polizisten war die Anspannung ins Gesicht geschrieben.
Zurück zum Positiven: Für alle, die auf der laufenden Tour noch ein Konzert von „Guns n‘ Roses erleben dürfen, sei versichert: Es wird der Guns normale Wahnsinn!