Wir waren bereits zum dritten Mal in Folge zu Gast beim Giro d’Italia. Das ist ein Erlebnis, das man immer wieder auf sich wirken lassen möchte. Das Motto lautet schließlich „Amore infinito“. Der Giro wird sehr schnell zur unendlichen Liebe.
Nach Pinzano al Tagliamento und Paularo in den beiden Jahren davor, war dieses Mal Tovena mit dem Passo San Boldo Ziel unserer Reise zur großen Landesrundfahrt durch Italien.
Schon die Fahrt von Klagenfurt in die Prosecco-Gegend zwischen Vittorio Veneto und Valdobbiadene ist traumhaft. Abseits der Autobahn sieht man minütlich neue Eindrücke. Man lernt das Land, in dem man seit Kindertagen schon so oft gewesen ist, wieder von einer neuen Seite kennen.
Die Hügel auf dem Weg von Vittorio Veneto Richtung Tarzo erinnern stark an die Toskana, die Ausblicke hier sind atemberaubend. Und das alles ist von Kärnten aus in rund drei Stunden – wenn man sich Zeit lässt und auch den einen oder anderen Cappuccino einplant – erreichbar.
Die 19. Etappe der 102. Ausgabe führte den Giro-Tross von Treviso nach San Martino di Castrozza. 151 Kilometer waren durch eine spektakuläre Landschaft hindurch und auf ebenso spektakulären Straßen vom Veneto ins Trentino zu absolvieren.
Radsport übt in Italien eine Faszination auf die Menschen aus, die man als ansteckend bezeichnen kann. Tagelang werden die Orte, die der Giro streift, mit rosa Utensilien herausgeputzt. Das ist ein Volksfest, wenn die Radprofis und die gesamten Begleitfahrzeuge auf dem Weg von einem Etappenort zum nächsten unterwegs sind.
Vor allem die Bergetappen ziehen die Radsport begeisterten Menschen in ihren Bann. Stunden bevor der gesamte Zirkus eintrifft, fahren tausende Tifosi mit ihrem eigenen Rad zur Passhöhe des San Boldo. Wobei Höhe hier relativ ist. Liegt doch der Ausgangspunkt Tovena auf 257 Metern Seehöhe, der Pass selbst befindet sich auf 706 Metern.
Bilder: Der Giro auf dem Weg zum San Boldo
Wie schon bei den anderen Giro-Besuchen ist das Warten auf den Tross kurzweilig. Die slowenischen Fans haben einen Wohnwagen in der „Tornante 17“ – also in der Kehre 17 geparkt und mit unzähligen Fahnen geschmückt. Sie haben den Namen ihres Aushängeschilds Primož Roglič auf die Straße gemalt. Und sie sorgen mit der Musik der Oberkrainer für ein kleines slowenisches Fest.
Insgesamt haben die Radprofis am legendären Passo San Boldo, der erst einmal 1966 auf dem Giro-Programm stand, 18 Serpentinen zu meistern. Sie werden auf dem Weg nach oben – vermutlich zu Motivationszwecken – heruntergezählt. Der kleine Übergang am südlichen Alpenrand verbindet die Orte Trichiana im Val Belluna und Tovena im Val Mareno.
Strada dei 100 giorni
Der San Boldo ist ein geschichtsträchtiges Bauwerk. Die Pass-Straße wird auch die „Strada dei 100 giorni“ genannt. Im Ersten Weltkrieg bauten Pioniere der österreichisch-ungarischen Armee diese außergewöhnliche Straße von Februar bis Juni 1918 in nur 100 Tagen. Neben der militärischen Bautruppe wurden auch Kriegsgefangene, Alte und Frauen der örtlichen Bevölkerung als Arbeitskräfte eingesetzt. In der Endphase des Baues arbeiteten 1.400 Menschen in drei Schichten, um diese strategisch wichtige Verbindung fertigzustellen. Hier kann über den Bau nachlesen.
Heute wird der Verkehr per Ampeln geregelt. So eng ist die Durchfahrt der fünf Tunnels, die in den Berg gehaut werden mussten, um die Kehren bauen zu können. Die Geschwindigkeit ist auf 30 km/h reduziert. Mehrmals waren Busse in den Tunneln stecken geblieben, daher ist die Höhe auf 3,20 Meter beschränkt.
Und dann ist der Giro plötzlich da. Zuerst radelt die Ausreißergruppe mit dem späteren Sieger Esteban Chaves vorbei. Knapp sieben Minuten dahinter zieht der Movistar-Zug um den im rosa Trikot fahrenden Richard Carapaz – der Mann aus Ecuador sollte am Ende den Giro auch gewinnen – das restliche Feld. All das dauert wieder rund zehn Minuten bis das Schlussauto das Ende des langen Trosses ankündigt. Nun heißt es bis November warten, da wird der Etappenplan der 103. Ausgabe veröffentlicht.
Ein Tipp für Radfahrer: Bei einem Urlaub in Italien kann man sich auf die Spuren des Giro d’Italia machen und Straßen, auf denen die Profis unterwegs waren, befahren. Das ist ein besonderes Erlebnis.