Der nächste Tag. Etappe zehn des Giro de Adriatico: Die Rückkehr nach Kotor.
Wer glaubt, die schönsten Ausblicke, die schönste Landschaft während dieser Tour liegen bereits hinter uns, wird bei dieser Etappe eines Besseren belehrt.
Dass die Rückkehr nach Kotor auch unsere letzte Etappe per Rad werden sollte, wissen wir am Morgen bei der Abfahrt aus Podgorica natürlich noch nicht.
Die ersten 30 Kilometer sind in die Kategorie flach einzuordnen. Windschattenfahren ist angesagt. Hohe Konzentration ist erforderlich, es gibt kein Links- und Rechtsschauen. Da könnte man eigentlich gleich im Ferry-Dusika-Stadion im Wiener Prater seine Runden drehen.
Das erste Highlight der womöglich echten Königsetappe ist erreicht. Bei Vranjina heizen wir über einen Damm, der den Skutarisee teilt. Wohin zuerst schauen, ist hier die Frage. Wir erhaschen einen kurzen Blick auf die Burgruine, die auf einer kleinen Seezunge neben dem Damm erscheint.
Bei Virparzar verlassen wir die Hauptstraße und schrauben uns ein paar Serpentinen hoch. Der Ausblick auf den Skutarisee wird von Minute zu Minute wunderbarer. Die Mischung aus Sumpfgebiet und Seerosen lassen den See in einem Grün erscheinen, das Hoffnung nur alleine vom Hinsehen gibt.
Kurz bevor es in eine Abfahrt geht, haben wir zum ersten Mal Blick auf den Fluss Crnojević. Auch hier wieder das leuchtende Grün, das Wasser, alles zusammen ergibt ein fast unbeschreibliches Naturschauspiel. Wir erreichen die Ortschaft Rijeka Crnojevića und halten an der alten Brücke an, um ein paar Teamfotos zu machen.
Gleich nach dem kleinen Fischerdorf fahren wir in den nächsten Anstieg. Unser Weg führt uns weiter nach Cetinje, der einst so prächtigen Hauptstadt Montenegros. Cetinje, Amtssitz des montenegrinischen Präsidenten, hat rund 15.500 Einwohner und liegt auf einer Art Hochebene eingebettet in eine gebirgige Karst-Landschaft. Vom Ende des 15. Jahrhunderts bis 1918 war Cetinje die Hauptstadt Montenegros.
Bilder: Etappe zehn des Giro de Adriatico
Während des Ersten Weltkriegs war Cetinje von 1916-1918 österreichisch besetzt. Hinter Cetinje radeln wir zur Abwechslung mal wieder bergauf. Von den 119 Kilometern sind es rund 45 Kilometer, die nach oben führen. Wir bewegen uns Richtung Lovćen-Massiv, das Karstgebirge ist ein Nationalpark. Die Ausblicke auf die grün-grauen Berge während der Fahrt sind atemberaubend.Dann ein erhebender Moment: Auf dem Radcomputer des Präsidenten aka Reiseleiters springt die Zahl von 999,99 Kilometer auf 1.000 Kilometer. Ich sitze daneben auf meinem Bock und denke mir: „Scheiße, warum bin ich vor Knin vom Rad gestiegen. Mir fehlen auf den 1.000er doch noch ein paar Kilometer.“
Nachdem wir den höchsten Punkt des Anstiegs erreicht haben, fahren wir eine der schönsten Abfahrten unserer Tour hinunter auf ein Plateau mit der kleinen Ortschaft Njeguši. Der Blick auf dieses extrem grüne Fleckchen Erde während der Abfahrt löst ein Hochgefühl aus. Der eher unscheinbare Ort Njeguši ist weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt für seinen Schinken und Käse. Leider haben wir von beidem nicht gekostet. Die Sonne steht tief, Kotor wartet.
Nach Njeguši geht es noch einmal leicht bergauf. Und dann ist er plötzlich da! Der schönste Ausblick während der gesamten Tour. Die Bucht von Kotor und dahinter die Adria. Es ist ein erhebender Moment als wir an diesem Punkt der Tour angelangt sind. Leider dauert dieser Moment nur ganz kurz, weil der Präsident ein klein wenig später ob des schönen Moments vergisst, aus den Klickpedalen zu steigen. Prack und rund 99 Kilo Lebendgewicht sacken zu Boden. Für die Beobachter wie in Zeitlupe.
Die Hand ist aufgerissen, die Wunde ist ziemlich tief. Und auch an der Hüfte sind Abschürfungen zu sehen. Bitter, da radelt man 1.000 Kilometer über Stock, Asphalt und Stein und es passiert nichts. Und dann eine Hundertstelsekunde ohne Konzentration. Aber der Präsident ist hart im Nehmen.
Und so hauen wir uns auf die Abfahrt nach Kotor. 25 Serpentinen sorgen für ein Wahnsinns-Fahrgefühl. Immer ist der Blick in den Fjord, in die Bucht von Kotor gerichtet.
Wir nächtigen wieder im Hotel Marija II. Doch zuvor geht es schnurstracks in die Altstadt von Kotor, zu „unserem“ Lokal , wo wir bereits bei unserem ersten Aufenthalt wegen der charmanten Bedienung und dem ausgezeichneten Essen reserviert hatten. Wir kommen also zum Lokal und sehen keine charmante Bedienung weit und breit. Dafür irgendein dahergelaufener Kellner, der unserer charmanten Bedienung nicht eine Sekunde das Wasser reichen kann. Leere und verständnislose Blicke bei sechs Mountainbikern und einem „Fluchtfahrer“. Und da schmeckt dann plötzlich das an sich gute Essen auch nicht mehr so gut.
Ein paar Minuten später ist unsere Welt wieder in Ordnung. Unsere charmante Bedienung hatte nur kurz Pause gemacht. Und so hebt sich die Stimmung bei uns schlagartig.
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