Giro de Adriatico – Etappe 9: Auf nach Albanien oder Bunker Bunker

Nach dem Frühstück machen wir uns in der Etappe neun des Giro de Adriatico auf den Weg in das vierte Land unserer Tour: Albanien.

Wir haben ein leicht mulmiges Gefühl, was uns da erwarten wird. Wahrscheinlich sind es aber auch nur die vielen Klischees, die man im Laufe eines Lebens über Albanien hört, die uns ein wenig verunsichern.

Gleich nach der Hotelausfahrt auf der Brücke über den Port Milena fühlen wir uns nach Vietnam versetzt. Auf Holzpfählen sind hier Hütten auf dem Fluss gebaut. Diese Hütten werden von Fischern für die Fischerei genutzt.

So lassen wir Ulcinj hinter uns und machen uns Richtung Albanien auf. Die Strecke bis zur albanischen Grenze, vor allem die schöne Gegend um Gornja Klezna, sorgt für eine gute Laune in der Runde. Es geht durch eine enge Klamm, durch alte Tunnels und einige kleine Ortschaften, in der die Nähe zu Albanien zum ersten Mal sichtbar wird.

Der Grenzübergang ist schon mal eine große Überraschung. Während das Grenzhäuschen bei der Ausfahrt aus Montenegro als klassisch „Old school“ bezeichnet werden kann, besticht das albanische Grenzgebäude durch ein modernes, völlig neues Erscheinungsbild.

Nach den üblichen Passkontrollen haben wir es tatsächlich geschafft. Wir haben Albanien erreicht, das vierte und letzte Land auf unserer Tour. An diesem Punkt mischt sich echter Stolz über die bisherige Leistung mit einer inneren Freude. Die gesamte Truppe stellt sich unter der albanische Flagge zum Gruppenfoto auf. So sehen Sieger aus…

Drei intensive Stunden in Albanien

Ungefähr drei Stunden wird unser Aufenthalt in Albanien dauern. Laut Tourplanung umrunden wir den Skutarisee. Ein Naturjuwel, das Montenegro und Albanien verbindet. Aber zunächst radeln wir der Buna entlang.

Der albanisch-montenegrinische Grenzfluss hat eine Besonderheit zu bieten, die vor allem viele Fischer erfreut: Weil ihr großer Zufluss Drin am Ende des Winters in den albanischen Bergen mächtig anschwillt, schafft es die Buna nicht mehr, ihre Richtung zu halten. Statt vom Skutarisee in die Adria fließt das Wasser nun flussaufwärts. Den Fischern, die im Delta der Buna ihre hoch gespannten Netztrapeze – wie schon im Port Milena in Ulcinj gesehen – über dem Wasser hängen haben, kann es nur recht sein: Fette Fänge sind garantiert.

Bilder: Etappe neun des Giro de Adriatico

Unterwegs nach Shkodra fallen uns gleich einmal die vielen „Pferde-Äpfel“ auf dem Asphalt auf. Kein Wunder, hier fahren die Einheimischen noch mit dem Pferdefuhrwerk zum Einkaufen in die nächste Stadt. Oder mit dem Mercedes. Schon auf den ersten Kilometern sorgt diese Eigenheit für ein Schmunzeln bei der Radgruppe. Gefühlt fährt in Albanien – zumindest im Umkreis von Shkodra – jeder Zweite einen Mercedes.

Wir reiten in der wichtigsten Stadt Nordalbaniens ein. Und einen herzlicheren Empfang kann man sich als Touristengruppe nicht wünschen: Ein paar Kinder, sehr ärmlich gekleidet, werfen mit Glasscherben auf uns, einer von den Burschen springt auf das Begleitauto und klemmt sich an der Dachleiste und am Rückspiegel fest. Unser Begleitfahrer schließt im letzten Moment das Fenster, sonst wäre das Sackerl auf dem Beifahrersitz wohl weg gewesen.

All das passiert vor und auf der Brücke über die Buna, eine Holz-Brücke, die uns stark ans Mittelalter erinnert. Die Fahrt durch Shkodra ist ein Erlebnis. Zumindest auf unserer Route erscheint die Stadt als ein einziger Müllplatz. Mülltrennung sieht hier so aus: Alles was man nicht mehr braucht, wird einfach auf die Straße geworfen. Der Geruch ist dementsprechend. Wieder fallen uns die vielen Mercedes auf.

Nach Shkodra fahren wir den Skutarisee entlang, nur der See ist nicht zu sehen. Der Präsident und der Schreiberling dieser Zeilen kennen dieses Gefühl von einer Neusiedlersee-Umrundung. Den See sieht man während der gesamten Umrundung zweimal, wenn man in Illmitz das Boot nach Mörbisch besteigt und dann, wenn man von Mörbisch den Hügel nach St. Margarethen hinauf fährt. Ähnlich verhält es sich mit dem Skutarisee, zumindest hier im albanischen Teil unserer Umfahrung.

Die Fahrt Richtung Grenze auf dem Weg zurück nach Montenegro ist auf Grund der extrem miesen Straße ein echter Spaß. Eine Rumpelkiste der besonderen Art. Dazu ein bestialischer Gestank alle paar Kilometer: Tierkadaver werden hier einfach in den Mülltonnen entsorgt.

Bunker, überall  nur Bunker

Natürlich fallen uns trotz aller Konzentration auf das Radfahren die vielen Bunker neben der Straße auf. Von 1944 bis 1990 war Albanien eine kommunistische Diktatur. Der Staatschef Enver Hoxha litt scheinbar unter extremer Paranoia, anders sind die vielen Bunker nicht zu erklären. Die Devise lautete: Für jede Albanerin und jeden Albaner ein eigener Bunker. Heute sind die Bunker Zeugen der Geschichte und verschandeln ein bisschen die Landschaft.

Als es kurz vor dem Grenzübergang mit dem klingenden Namen Hani i Hotit ein bisschen bergauf geht, sehen wir zum ersten Mal den Skutarisee. Der größte See der Balkanhalbinsel ist ein Naturschauplatz der besonderen Art. Bei 48 Kilometern Länge und bis zum 14 Kilometern Breite gehören zwei Drittel zu Montenegro, ein Drittel zu Albanien.

So richtig wunderbare Aussichten sollten wir auf dieses einmalige Biotop, das ein Paradies für Fans von Fauna und Flora ist, jedoch erst am darauf folgenden Tag erhalten, auf unserer Etappe von Podgorica nach Kotor.

Zurück zur Grenze: Nach knapp drei Stunden und rund 50 Radkilometern in Albanien entern wir in Hani i Hotit wieder montenegrinischen Boden, nachdem wir diesmal eine etwas längere Grenzkontrolle über uns ergehen lassen müssen. Ein Highlight ist, als ein Zollbeamter in unserem Wagen eine Dose mit Elektrolytgetränk „sicherstellt“ und am Inhalt schnüffelt. Als wir mit unseren Trinkflaschen wedeln, verstaut der Beamte die Dose wieder im Inneren unseres Begleitfahrzeuges.

Die letzten Kilometer nach Podgorica – im früheren Jugoslawien Titograd benannt und heute die Hauptstadt Montenegros – verlaufen zunächst ob der schönen Ausblicke auf den Skutarisee recht angenehm. Die Truppe fährt gemächlich in die Geburtsstadt von „Il genio“ – Dejan Savicevic, der von 1999 bis 2001 auch die Rapid-Fans in Hütteldorf mit seiner Fußballkunst begeisterte. Heute ist Savicevic übrigens Präsident des montenegrinischen Fußballverbandes.

In Podgorica nächtigen wir im Hotel Crna Gora, was so viel heißt wie Hotel Montenegro, naja eigentlich Hotel „Schwarzes Gebirge“, und es hat wirklich den Anschein, ein Staatshotel zu sein, mit einer Innenausstattung wie in den 1980ern, eh schon wissen. 2015 wurde dieses altehrwürdige Hotel abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Der Charme des alten Hotels wie die Radgruppe es erlebt hat, ist verschwunden, wie es dieser Blog beschreibt.

Podgorica erscheint uns beim abendlichen Bummel vor dem Abendessen als moderne Stadt. Hier steppt der Bär, um es mal so auszudrücken. Viele junge, attraktive Menschen bevölkern die Hauptstraßen der pulsierenden Metropole. Beim Abendessen gelingt uns ein Haupttreffer, wir landen bei einem Italiener. Fischsuppe vom Feinsten, Meeresfrüchte vom Feinsten, Schinken vom Feinsten. Und das in einem feinen Ambiente.

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