Giro de Adriatico – Etappe 2: Auf den Spuren Winnetous

Teil zwei der großen Mountainbike-Tour auf dem Balkan.

Wir verlassen unser erstes Etappenziel Posedarje früh, der zweite Teilabschnitt führt uns in die Kninska Krajina mit dem Tagesziel Knin. Wer schon mal an zwei Tagen hintereinander Rad gefahren ist, weiß wie sehr das Hinterteil schmerzt. Aber da müssen wir durch.

Nach wenigen Kilometern spüren wir die Fährte eines unserer Jugendhelden auf. Von der Hauptstraße biegen wir in Richtung des Flusses Zrmanja ab. Über eine Schotterpiste „schleichen“ wir einem Plateau entgegen, wo Sam Hawkens und Co. 1963 am Marterpfahl hingen.

Zeit für eine Winnetour

Das Panorama ist überwältigend. Eine Art Grand Canyon mitten in Kroatien, nur etwas kleiner in der Dimension. Der ideale Schauplatz für das Kino-Highlight der 1960er: Winnetou. Im Fluss unter dem Plateau paddelte Pierre Brice in seinem Kajak.

Auf einer Tafel ist alles genau nachzulesen. Bilder von den Dreharbeiten vermitteln uns einen Eindruck, wie Filme in den 60er Jahren produziert wurden. Wir schießen noch schnell ein paar Fotos mit zur Blutsbrüderschaft verschränkten Armen und Handgelenken, dann geht es weiter Richtung Knin.

Nach der Ortschaft Obrovac beginnt das erste große Kriterium dieser Etappe. Ein Anstieg, erneut in der prallen Sonne, erneut ohne ein Fleckchen Schatten.

Wir legen vor der Einfahrt in den Anstieg eine kleine Pause ein. Unser Begleitfahrer hat eine feine Jause vorbereitet: Salami, Weißbrot und dazu herrlich schmeckende Oliven. Als Dessert bekommen wir jeweils eine Banane gereicht, Magnesium spielt für die extrem beanspruchte Muskulatur eine wesentliche Rolle. Die Jause zeigt uns: Man braucht nicht viel zum Glücklich sein.

Bilder: Etappe zwei des Giro de Adriatico

Nach dem Anstieg fahren wir eine wunderschöne Abfahrt hinunter und erreichen das Kloster Krupa, das von Bächen und Teichen umgeben, wie eine Oase erscheint. Wie jemand, der in der Wüste Wasser findet, nützen wir einen dieser Teiche zur Abkühlung.

Nur mit der Radhose bekleidet, springen wir ins herrlich kühle Nass und bringen unsere Körpertemperatur, die bei der extremen Hitze bei gefühlten 50 Grad liegt, wieder auf „Normaltemperatur.“

In der Kninska Krajina trifft es uns dann wie der Blitz. Die Fernseh-Bilder aus den 1990er Jahren vom Balkan-Krieg sind plötzlich allgegenwärtig und schießen in unsere Erinnerung. Wir fahren durch Ortschaften, die wie Geisterstädte in so manchem Western anmuten. Auffallend, dass nur mehr ältere Menschen in diesen Orten wohnen.

Die Jungen dürften weggezogen sein, in die Städte oder in die Tourismushochburgen an der Küste. Die älteren Menschen sitzen vor ihren Häusern, unser Vorbeifahren scheint das Tages-Highlight zu sein, soweit wir das aus ihren Blicken schließen können. Hier findet unser Begleitfahrer in einem Bachbett ein Kriegsrelikt, eine Panzerfaust.

Zwischen den Ortschaften werden die Asphaltstraßen zu Schotterpisten. Immer größer werdende Steine machen das Treten immer schwerer. Und dann ist plötzlich mein Akku leer, aber nicht der meines Handys. Mitten in der Pampa ist in der Muskulatur meiner Oberschenkel keine Power mehr drin.

Die Gedanken kreisen: „Das darf doch nicht wahr sein, schon am zweiten Tag ein Einbruch.“ Und dann habe ich plötzlich ein Zitat aus Rambo in meinen Ohren: „Das was Sie vorher Hölle nannten, nennt er sein zuhause.“ Ich weiß jetzt, dass die Hölle, zumindest in diesem Augenblick, irgendwo in der Kninska Krajina liegt.

„Quälen kommt von Qualität!“

Unser Reiseleiter, von der restlichen Truppe einfach nur il presidente – der Präsident genannt, hatte als Leitspruch schon vor der Tour ausgegeben: „Quälen kommt von Qualität!“ Jetzt verstehe ich diesen Satz erst. Mein Glück: Unser Begleitfahrzeug ist direkt bei uns und schweren Herzens treffe ich die Entscheidung, vom Rad zu steigen. Auch im Hinblick auf die noch lange Distanz, die vor uns liegt. Und auch im Hinblick auf die Gruppe, die ich in meinem Zustand nur aufgehalten hätte.

Wir nächtigen in der Peripherie von Knin im Hotel Mihovil und tanken gleich hier unsere verlorenen Kalorien wieder auf.

Aber nicht, ohne uns vorher einen lieblich-bitter schmeckenden Kräuterlikör „in die Venen zu hauen“, wie es ein echter Wiener Ende der 1970er Jahre so bildhaft formulierte. Den täglich obligaten „Pelinkovac“. Der Architekt in unserer Runde erklärt uns den Vorteil dieses Rituals: „Damit tötet man alle Bakterien prophylaktisch.“ 

Bald nach dem Essen geht es ins Bett, schließlich wartet am nächsten Tag die erste Königsetappe.

Giro de Adriatico – Etappe 1: Von Senj nach Posedarje

Giro de Adriatico – Etappe 3: Where is the best way to Osim?

Giro de Adriatico – Etappe 4: Kurz-Trip nach Hvar

Giro de Adriatico – Etappe 5: Es Hvar so wunderschön!

Giro de Adriatico – Etappe 6: Kulinarisches Kabarett in Dubrovnik

Giro de Adriatico – Etappe 7: Kotor ist einfach ein Traum

Giro de Adriatico – Etappe 8: Ulcinj oder „Where is the nightclub Longbeach?“

Giro de Adriatico – Etappe 9: Auf nach Albanien oder Bunker Bunker

Giro de Adriatico – Etappe 10: Könige der Landstraße in Montenegro

3 Kommentare

  1. Hi Georg! sind zwar in 30 Jahren YOU/HR/SLO über Dugi Otok nie hinausgekommen, nach dem Lesen Deines Berichts…
    weiterhin alles Gute, Peter

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