Giro de Adriatico – Etappe 3: Where is the best way to Osim?

Tag drei der epischen Balkan-Radlerei: Die erste Königsetappe liegt vor uns.

Aber das wissen wir bei der Abfahrt von Knin aus noch nicht, da unser Herr Präsident – auch Reise-Uschi genannt – die genaue Kilometerzahl nicht verraten will oder sie vielleicht gar nicht genau kennt.

Wir durchfahren zunächst das Krčić-Tal am gleichnamigen Fluss entlang. Eine enge Schotterstraße führt uns durch eine Schlucht, die später in eine Art Steppe übergeht. Wir haben immer den Blick auf die imposante Dinara gerichtet, mit 1.831 Metern der höchste Berg Kroatiens.

Unterwegs in der Steppe, auch hier könnte man den einen oder anderen Westernfilm-Dreh vermuten, machen wir Bekanntschaft mit ein paar Schäferhunden, die ihren Job sehr ernst nehmen. Ganz plötzlich erhöhen sich in der Radlertruppe kollektiv die Pedalumdrehungen.

Wir biegen auf die Hauptstraße und haben wieder Asphalt unter unseren breiten Mountainbike-Walzen. Nach ein paar Kilometern erreichen wir Kijevo und verlassen bei einem Beton-Handballplatz wieder die asphaltierte Straße, um uns in der Steppe auf Schotter voranzukämpfen.

Kijevo, ein kleiner, recht unscheinbarer Ort mit rund 400 Einwohnern, erlangte im Krieg traurige Berühmtheit (hier nachzulesen), wie unser Präsident bei einem kurzen Zwischenstopp neben dem Handballplatz erzählt. 

Hinter Kijevo in der Steppe spüren wir zum ersten Mal einen unangenehmen Gegenwind, der uns beinahe bis ins Etappenziel auf die Nerven gehen sollte. Es reicht ja nicht schon die extreme Hitze, die uns einiges abverlangt. Nein, wenn schon Quälen, dann aber richtig. Wie gegen eine Wand fahren wir an, aber im Nachhinein werden alle mit einem Schmunzeln im Gesicht sagen: „Das war doch nur ein zusätzlicher Trainingseffekt.“

Ein paar Kilometer später erreichen wir einen Ort, an dem wir eine Pause einlegen und innehalten. Die Ruine der Kirche Sveti Spas, erbaut in der zweiten Hälfte des Neunten Jahrhunderts und der sie umgebende Friedhof sind ein Kraft-Ort.

Wir halten auch deshalb inne, weil uns die Grabsteine und die darauf eingemeiselten Geburts- und Todesdaten emotional berühren. Viele, die hier ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, waren Kinder und Jugendliche, die im Balkan-Krieg Mitte der 1990er ums Leben gekommen sind.

Diesen Ort nehmen wir auch deshalb als einen Kraft-Ort wahr, weil ein paar Meter entfernt die Cetina entspringt, ein rund 100 km langer Fluss, der uns bis zum Zielort als Orientierungs- und Motivationshilfe ob der wunderschönen Ausblicke dienen sollte.

Bilder: Etappe drei des Giro de Adriatico

Schon wenige Kilometer nach ihrer Quelle fließt die Cetina in den Peruča-Stausee, der mit 10 bis 20 Quadratkilometern – je nach Wasserzulauf – einer der größten Stauseen in Kroatien ist.

Während des Kroatienkrieges wurde der 1958 erbaute, 67 Meter hohe und 467 Meter lange Staudamm 1995 von serbischen Truppen gesprengt und schwer beschädigt.

Aber auch Positives gibt es von diesem wunderschönen See mit seinem türkisfarbenen Wasser zu berichten: Einige Aufnahmen für die Winnetou-Filme wurden hier gedreht. Nach dem Staudamm radeln wir der Cetina entlang und erreichen nach der obligaten Jause direkt am Flussufer in der kleinen Ortschaft Rumin, die Kleinstadt Trilj und überqueren dort die Cetina über die Hauptbrücke.

Bei herrlichem Wetter sitzen einige Einheimische am Straßenrand in einem Cafe und genießen das süße Nichtstun. Wir legen eine kurze Pause ein, weil wir nicht ganz sicher sind, welche Route zu unserem Etappenziel die sinnvollste ist.

„Where is the best way to Osim?“

Ein Mountainbiker aus unserer Runde sorgt mit seiner Frage nach dem Weg sowohl bei den Einheimischen als auch bei uns für einen herrlichen Lacher: „Where is the best way to Osim?“, wobei er eigentlich die Küstenstadt Omiš, unseren Etappenzielort meint.

Situationskomik pur, weil natürlich auch die Leute in diesem Fleckchen Kroatiens den legendären Ex-Trainer von Sturm Graz und ehemaligen jugoslawischen Teamchef Ivica Osim kennen. Ist übrigens für die Balkan-Länder manchmal ein wertvoller Tipp, um mit Leuten ins Gespräch zu kommen: Einfach fragen: „Who is the best footballplayer in…?“ Man merkt sofort, dass die Menschen am Balkan diesen Sport lieben.

Nach Trilj fahren wir ein paar Kilometer bergauf und genießen einen atemberaubenden Blick auf die Cetina, die sich hier durch einen Canyon schlängelt. An der Kreuzung in Bisko kommen wir mit einem Einheimischen ins Gespräch.

Angesprochen auf seine guten Deutschkenntnisse erklärt er uns, dass er für einige Jahre in der Münchner Gastronomieszene gearbeitet hat. In der Hand hält er ein Büschel Dill, das er gerade beim Spaziergang mit seinem am Bein lädierten Hund „geerntet“ hat. Während des Gesprächs empfangen wir einen hektischen Anruf. Unser Begleitfahrzeug hat einen „Patschen.“ Wir verabschieden uns von unserem Gesprächspartner, der uns vorher noch den richtigen Weg nach Omiš bestätigt.

Über einen Bergkamm schrauben wir uns ein paar Serpentinen hinauf, in einem Tunnel geht’s unter einer Autobahn hindurch. Drei aus unserer Radlertruppe geigen auf dem Anstieg davon und nehmen, weil sie die Tafel „Omiš – 20 Km“ wörtlich nehmen, die rasante Abfahrt in Angriff.

Unser Präsident kennt aber bei seiner Tourplanung keinen Spaß und beordert die drei Ausreißer per Handy zurück auf den Hügel. Vier Extra-Kilometer, auch schon egal.

Der Grund für die Rückbeorderung: Wir zweigen von der Hauptstraße ab und rollen talwärts der Cetina entgegen. Auf dieser Route soll laut dem Presidente die Einfahrt nach Omiš wesentlich schöner sein: „Wir fahren nicht so weit, um uns dann das Highlight des Tages kaputtzumachen.“

Osim oder doch Omiš?

Und der Präsident sollte Recht behalten. Nach dem letzten Kräfte raubenden Anstieg und ein paar scharfen Kurven hinunter, erreichen wir wieder den Fluss, der uns bis nach Omiš führt. Nach knapp neun Stunden netto im Sattel und 150 Kilometern erreichen wir das an der Mündung der Cetina gelegene Küstenstädtchen, das 1444 von den Venezianern erobert wurde.

Heute lebt der Ort vom Tourismus, das wird augenscheinlich bei einem Besuch in der Altstadt. Zahlreiche Bars laden zum Verweilen ein. Sehen und gesehen werden, lautet hier die Devise.

Wir nächtigen im Hotel Villa Dvor. Das Haus thront auf einem Felsen über der Stadt. Das Panorama auf die Stadt, das Meer, die Cetina und die im Hinterland der Schlucht liegenden Berge ist schlichtweg phänomenal. Die Mitarbeiter des Hotels empfangen uns wohlwollend, was wir alleine daran merken, dass unsere Mountainbikes vom Mitarbeiter an der Hotelrezeption ohne Murren in einen geschützten Raum gebracht werden.

Und weil wir ja noch keine großartige Bewegung für unsere Beine gemacht haben, sind die über 100 Stufen rauf und runter beim Hotel ein Klacks. Bei einer solchen Lage nehmen wir diese Strapazen aber auch gern in Kauf.

Der nächste Tag sollte eine kleine Etappe zum Ausstrampeln bringen, aber das wissen wir beim Stiegensteigen noch nicht…

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